Clas am Donnerstag, den 15. März 2007 um 14:06:41 Uhr
Ja, ja, bei Sabine Christiansen oder „Hart aber fair“ hättest du sicher eine Menge Applaus bekommen. Doch deine Sichtweise ist sehr eingeschränkt und von der Lektüre Lorbers wurde offensichtlich wenig verstanden. Ich kann nur noch mal wiederholen. Wenn ihr die vermeintlichen Diskrepanzen lest, dann lest sie auch genau! Mehr schreibe ich dazu nicht.
>„Menschen, die das Denken ausschalten, können auch an einen Endsieg glauben, an einen Führer, die "Partei", die Revolution, oder etwas Ähnliches. Eben darum ist Denken aber auch manchmal nützlich, um nicht jeder Propaganda auf den Leim zu gehen.“<
Ich behaupte das Gegenteil: Letztlich ist es der Verstand und die kühle Vernunft, aus denen Krieg und Unterdrückung hervorgehen. Natürlich hat der Verstand auch ein paar gute Seiten: wir klonen Schafe, können uns gegen alles mögliche versichern, fliegen für 9,99 € zum Shoppen nach London, haben einen unerschöpflichen Vorrat an Potenzpillen, tragen Kleidung, die in einen Entwicklungsland durch Kinderarbeit gefertigt wurden, zapfen Muttererde ihr schwarzes Blut ab um noch eine bisschen Wirtschaftswachtum zu realisieren - das man ja bekanntlich nicht aufhalten darf -, gleichzeitig hört man was von Ölpest, Artensterben, Klimawandel und Ozonlöchern.
Das sind die Resultate unserer demokratischen Gesellschaftsordnung, der empirischen Wissenschaft und der technischen Revolution, die sich, nach der Zeit des Aberglaubens, durch das kritisch-rationale Denken der griechisch-römischen Kultur bei uns etablierten. Und was haben uns Empirie und Rationalität gebracht?
Nach Inquisition und Hexenverfolgung – wo es sich um nichts anderes als die Ausmerzung des alten Naturglaubens handelte, den Lorber auch thematisisert – verfuhr die Aufklärung radikal mit allem Traszendenten. Bacon, Descartes und Newton leiteten die Entmythologisierung ein. Die Welt wurde zu einer Maschine, einem Uhrwerk, die nach mechanisch-berechenbaren Prinzipien abläuft. Der Verstand war das höchste gut. Logik war nun die mächtigste Waffe der Erkenntnis. Kein Gott zeichnete die Planetenbahnen vor, sondern Gravitation und mechanische Gesetze, keine Naturgeister (siehe Lorber, Großglockner etc.) wirkten in der Pflanzenwelt, sondern bio-chemische Prozesse. Pflanzen waren nur noch eine Anhöufung von Protoplsma und nicht selbstreflektierend. Geister und Dämonen schickte man in den Ruhestand und glaubt heutzutage dennoch jemand daran, dann ist das Aberglaube oder gar ein Zeichen mentaler Verwirrung, Fehlfunktionen von Stoffwechselabläufen im Gehirn, neuronale Fehlschaltungen. Ab in die Klapse!“
In vielen Foren versucht man Lorber mit dem Verstand zu erklären. Es sind geistige Schriften! Sicher, unsere ganze Wissenschaft baut darauf auf, dass die nicht materielle, transzendente Seite als subjektiv abgetan wird, somit als unsachlich und irrelevant. Nur das Objektive, das Gegenständliche wird als real anerkannt, auf Lorber bezogen der Buchstabensinn. So sieht es zumindest der an das Ego gekoppelte kombinierende Verstand.
Unsere materialistisch, agnostisch geprägte Wissenschaftsideologie leugnet nach wie vor Propheten oder Seher wie Lorber. Man psychologisiert, behauptet es seien Projektionen verdrängter Erlebnisse, was darauf hinaus läuft, dass irgendwelche bio-chemischen Prozesse im Hirn falsch laufen. Das sind Ansichten, die einer von der Ratio geleiteten, technisierten, naturdegradierten Welt.
Was ich sagen will, die Wahrheiten von heute sind die Irrtümer von Morgen. Dies muss man im Hinterkopf behalten, so man Lorbers Kundgaben über den Aufbau des Universums nachvollziehen will oder die zeitlichen Datierungen über die Urväter. Vielleicht ist unser modernes Weltbild nur ein Traum, ein Traum der materielle Gestalt angenommen hat. Ist vielleicht auch unser experimentalwissenschaftliches Weltbild, welches uns als absolute Wirklichkeit suggeriert wird, letzten Endes nur ein Traum - ein kollektiver Traum, aber nichts Allgemeingültiges? Auch unsere vermeintlich bewiesenen Tatsachen, an die wir uns so verzweifelt klammern sind lediglich kulturell konstruiert, es sind Vorstellungen, die wir uns schufen, Maya, eine Illusion, würde der Inder sagen. Aufklärung, Atheiismus, Rationalismus und dialektischem Materialismus.
Die Welt ist voller schöner, wundersamer Dinge, wenn wir die Augen nicht verschließen, gleichzeitig existieren daneben aber auch globale Marktzwänge, Kriege, Terror, Wirtschaftsnot, hungernde Kinder in Drittweltslums, die zwischen Plastikmüll ersticken …
Vielleicht rettet uns eine Synthese aus kühler Vernunft und Herzenserlebnis, Glauben als erweiterte Form von Wissen, holistisches Denken in Verantwortung für die Schöpfung.
Zum Schluss muss ich noch etwas Loswerden. Auf der Hauptseite wurde auf arg selbstverherrlichende Weise Goethes Faust zitiert (Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin …) . Und es ist bezeichnend für den Spirit dieser Internet-Seite, die Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen, anstatt den gesamten Kontext zu beachten. Deshalb möchte ich dem die Worte von Meister Goethe selbst entgegen halten:
„Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß; mit dem Wissen wächst der Zweifel.“
Und da wir gerade bei Aus-dem-Zusammenhang-reißen sind, noch ein Zitat für die, die Lorber mithilfe eines kopflastigen, rationalen, expermentalwissenschaftlichen, aufgeklärten, positivistischen Weltbildes zu erklären versuchen.
„Auf jeden Fall […] wurden wir für unsere Mühe belohnt, denn wenn man Zusammenhänge finden will, findet man immer welche, Zusammenhänge zwischen allem und jedem, die Welt explodiert zu einem wirbelnden Netz von Verwandtschaften, in dem alles auf alles verweist und alles alles erklärt.“
(Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel)