Argumentation

Zumindest naturwissenschaftlicher Unsinn in der Neuoffenbarung wird oft mit dem Verweis abgetan, die Naturwissenschaften seien eben noch nicht so weit wie die Neuoffenbarung. Dazu Wilfried Schlätz, Referent der Lorber-Gesellschaft:

»Unser Meinungs-Hochmut meint, dass wir zumindest auf unserer Erdoberfläche ganz genau Bescheid wissen, dass wir also auch ganz genau wissen, dass die Vögel und die fliegenden Fische nur mit Hilfe ihrer Flügel und nicht mit Hilfe einer Art von Wasserstoffgas fliegen, das sie nach oben zieht und genau so leicht wie die Luft macht! Wenn dieser Meinungs-Hochmut nun auf diese Aussagen des echten Jesus stößt, aus denen hervorgeht, dass die Vögel und die fliegenden Fische durch eine Art Wasserstoffgas, das sie in ihrem Inneren erzeugen, so stark nach oben (entgegengesetzt zur Schwerkraft) gezogen werden, dass sie gleichgewichtig werden mit der umgebenden Luft, dann empört sich unser Meinungs-Hochmut gegen diese demütigende Erkenntnis, dass wir selbst auf unserer Erdoberfläche noch längst nicht alles kennen, vor allem dieses Geheimnis des Vogelfluges bis heute nicht kennen. Dann flammt gerade hier unser Meinungs-Hochmut auf, verwirft und bekämpft nun sämtliche Texte durch Jakob Lorber, um sich auf keinen Fall demütigen zu müssen und zuzugeben, dass er sich bisher in Bezug auf den Vogelflug geirrt hat.«

Wilfried Schlätz, jesus2030.de, Stand 23.10.2011


Unsere Flugzeuge, angefangen bei Otto Lilienthal, fliegen bis heute nach den Prinzipien, die Lilienthal von den Vogelflügeln übernahm und vor allem ohne Wasserstoff. Der "Meinungs-Hochmut" betrifft also nicht nur Menschen, sondern auch Flugzeuge, oft tonnenschwere Ungetüme aus Stahl, die sich ohne Wasserstoff in die Luft erheben, statt aus Respekt vor dem "echten Jesus" der Neuoffenbarung abzustürzen.


Lilienthals Untersuchung zur Strömung an Vogelflügeln – bis heute die Grundlage für die Konstruktion von Flugzeugflügeln

Andererseits bedienen sich Neuoffenbarungsfreunde ansonsten gerne dieser hochmütigen Naturwissenschaften um zu beweisen, dass die Neuoffenbarung nur von Gott diktiert worden sein kann – wie etwa Kurt Eggenstein. Dieses schizophrene Verhältnis zur "Weltweisheit" erfüllt seinen Zweck, reicht aber nicht aus. Um Vorhersagen Lorbers über das vorzeitige Ende aller Kriege zu retten, müssen bereits Verschwörungstheorien entworfen oder benutzt werden, wie die, es hätte kein Mittelalter gegeben. Auch gefälschte Bilder von der Rückseite des Mondes, anderer Planeten und der Astronomie, der Biologie, der Medizin und der Geographie werden bei genauerem Lesen der Neuoffenbarung notwendig. Doch auch diese Maßnahmen zur Rettung der Neuoffenbarung reichen nicht aus. Denn schließlich kann sich heute jeder selbst davon überzeugen, dass weder am Nord- noch am Südpol ein zig Kilometer großes Loch bis ins Erdinnere klafft. Wilfried Schlätz, Referent der Lorber-Gesellschaft geht deshalb noch weiter:

»Der echte Jesus kann nämlich mit Seiner Allmacht dafür sorgen, dass alle irdischen Messinstrumente sowie das GPS in den Polargegenden falsche Werte anzeigen, so dass die Wissenschaftler und Touristen zu einem vermeintlichen, gefahrlosen „Nordpol“ und „Südpol“ reisen, und dadurch diese allergefährlichsten Punkte der Erde gar nicht erreichen können, weder auf dem Lande noch mit einem Schiff noch mit Flugzeugen, weil eben der echte Jesus in die Messungen eingreift und dadurch alle Neugierigen und Verwegenen von diesen gefährlichsten Orten der Erde ablenkt!«

Wilfried Schlätz, jesus2030.de, Stand 23.10.2011


Natürlich kann Gott alle unsere Messungen manipulieren. Aber wie weit müsste er dabei gehen? Das Erreichen der Pole lässt sich schließlich schon durch Beobachtung des Sonnenstandes verifizieren. Gott müsste also alle Polarforscher in ihrer Wahrnehmung täuschen. Doch selbst wenn Gott tatsächlich alle Forscher kollektiv mit optischen Halluzinationen belegt, wer garantiert dann, dass er nicht auch Jakob Lorber an wirre Wahnvorstellungen auslieferte?

Andere Erklärungsversuche greifen deshalb nur die Teile des Textes heraus, die eher passen und erklären andere für ungültig. Das funktioniert zwar manchmal, wirkt aber willkürlich. So wird argumentiert, das Loch befände sich nicht am geographischen, sondern am magnetischen Nordpol bei Grönland. Dabei schreibt Lorber in seinen Naturzeugnissen, dass er den geographischen Nordpol meint:

»Ein Pol eines Weltkörpers ist derjenige Punkt, der die meiste Ruhe unter allen Punkten der Erde oder irgend eines Weltkörpers hat«

Doch selbst diese Selektion hilft nicht, schließlich kann man ja auch nach Grönland fliegen. Außerdem hat man mit diesen Erklärungen noch keine Antwort auf die seltsame Ethik, die Gewaltexzesse Jesu und den Rassenhass der Neuoffenbarung. Dazu Wilfried Schlätz:

»Diese Aussage machte der echte Jesus, der als auch ein wahrer geschaffener Mensch Selbst der alleredelste Jude war und ewig ist, wodurch der Vorwurf des Antisemitismus gar nicht greifen kann, am 28.April 1847 durch JL. Daher bezieht sich diese Aussage auf viele (nicht alle!) Juden des Jahres 1847!«

Wilfried Schlätz, jesus2030.de, Stand 23.10.2011


Der Text kann eigentlich nicht antisemitisch sein, wenn er von Jesus stammt – hier kann man nur zustimmen. Er ist aber antisemitisch, folglich kann er nicht von Jesus stammen (Kontrapositionsbeweis). Viel schlimmer ist aber, dass Schlätz die antisemitischen Aussagen dadurch zu relativieren versucht, dass sie "nur" die Juden von 1847 betreffen. Ist es heute falsch, Juden als "Schweine" zu beschimpfen, dann war es das 1847 auch. Die Würde des Menschen ist keine saisonale Erscheinung, sie ist ein Grundrecht. Und die Grundrechte des Menschen behandelt man nicht heute so und morgen anders. Mit solchen Argumenten kann man die Texte der Neuoffenbarung jedenfalls nicht retten.

Deshalb bedienen sich viele Lorberfreunde der Idee der Entsprechungslehre. Wenn Lorber Juden als kotfressende stinkende Schweine bezeichnet, dann sei "Jude" nur eine Bezeichnung für einen solchen Menschen. Jeder Mensch könne in diesem Sinne ein "Jude" sein, sofern er solch ein Schwein ist. Der Text bleibt dabei aber antisemitisch. Während die Neuoffenbarung vorher Juden diffamiert, machen Lorberfreunde den Begriff "Jude" zum Synonym für ein raffgieriges, gewissenloses Schwein und damit alles nur noch schlimmer. Es ist also nichts gewonnen, wenn man die Neuoffenbarung als Bilder und Gleichnisse liest.

Eine weitere Methode besteht in der Relativierung durch andere Stellen der Neuoffenbarung. Lorber hat schließlich auch Gutes und Richtiges geschrieben. Das meiste davon kennt man aber schon aus der Bibel und ist insofern kein eigener Beitrag der Neuoffenbarung. Ganz grundsätzlich stellt sich zudem die Frage, ob man eine Stelle überhaupt durch eine andere relativieren kann. Wird der Mord an etwa sechs Millionen Juden dadurch relativiert, dass Hitler früher seine Bilder von Juden verkaufen ließ, oder dadurch, dass er seinen Schäferhund lieb hatte oder dass er eines der ersten Tierschutzgesetze verfasste? Und überhaupt: Wenn Gott selbst Texte diktiert, sollte es nicht nötig sein, diese durch andere Texte zu relativieren. Antisemitische Texte bleiben daher eine Schande, eine Peinlichkeit, die gerne verschwiegen wird (vgl. nächstes Kapitel).

Von Neuoffenbarungsfreunden wird deshalb angeführt, Gott habe ja nur sehr indirekt zu Lorber gesprochen und deshalb habe sich, speziell nach Alkoholgenuss, Lorbers eigene Meinung darunter gemischt. Zum einen könnte man sich nun fragen, ob nicht die ganze Neuoffenbarung auf einem Delirium basiert (einige Lorberfreunde vermuten sogar eine Leberzirrhose als Todesursache Lorbers, vgl. Dr. Andreas Finke: Jesus Christus im Werk Jakob Lorbers, S. 17). Andererseits ist es kaum vorstellbar, dass Gott unter solchen Umständen bereit war weiter zu diktieren. Die Neuoffenbarung stellt sich zumindest selbst anders dar:

»Eben darum aber erwählte Ich dich, weil du kein Schreiblustiger bist, um eben dadurch Meine Ware einmal ganz rein vor die Welt zu bringen«

Himmelsgaben Band 2, 8. Februar 1844


»Da ihr aber das mächtige Gewicht Meiner Worte also tatsächlich habet kennengelernt und habt euch von ihrer vollsten Wahrheit überzeugt, so habet denn nun auch fürderhin acht auf das, was da noch geschehen wird.«

Himmelsgaben Band 3, 15. März 1849


»So ihr aber glaubet, daß Ich Derselbe bin und rede mit euch nun durch den zwar in sich schwachen, aber sonst treuherzigen Knecht schon einige Jahre, – warum ist denn da schwach euer Glaube und warum unrein eure jeweilige Meinung, derzufolge Mein euch wieder gegebener Knecht aus sich auf Meinen Namen Mittel gäbe, die dann nicht helfen könnten, weil sie vielleicht doch nicht von Mir, sondern vom Knechte seien? Wisset ihr denn nicht, daß Ich den Knecht alsbald verwerfen würde, so er so etwas sich erlauben würde?«

Himmelsgaben Band 3, 17. August 1848


»Sehet, Mein Knecht ist klein und einfältig und hat ein sanftes Herz und ist der Demut und Meiner Liebe schon mehrere Jahre nachgelaufen. – Wenn Ich ihm nun ein kleines Licht Meiner Gnade gegeben habe, so glaubet es, daß es wahr ist in allen Punkten und Zweigen, da alles dieses in der geradesten Richtung zuallernächst unmittelbar von Mir in ihn kommt.«

Himmelsgaben Band 1, 2. August 1840


»Die Gottheit zwingt den Propheten (...) in jenen Momenten seiner Tätigkeit (...) streng nach dem Willen der göttlichen Weisheit zu reden, zu schreiben und zu handeln (...)«

Großes Evangelium Johannes, Band 10, Kapitel 240, Vers 6


Auch Ritter von Leitner stellte den Schreibvorgang direkter dar:

»am schnellsten und zugleich am richtigsten schreibe er (Lorber) dann, wenn er die Hand sich ganz mechanisch mit der Feder fortbewegen lasse.«

Leitner: Lebensbild, 1. Auflage 1924, Seite 22f


Allerdings wird diese Aussage vom Lorber-Verlag zensiert (zu weiteren Zensuren vgl. die Kapitel: "Rettungsversuche des Lorber-Verlages" und "die Rolle des Lorber-Verlages" im Buch).

Doch selbst wenn sich einzelne Hörfehler eingeschlichen haben, so ist damit noch nicht geklärt, wie sich die gleichen Fehler wiederholen können. Dass Vögel mit Wasserstoff fliegen, hörte Lorber am 16. August 1840 (kleinere Naturzeugnisse, 1. Aufl. S. 15) und über 20 Jahre später nochmal (Großen Evangelium Johannes, Band 10, Kapitel 227). Bezüglich des Loches am Nordpol verhörte sich Lorber am 11. Oktober 1840 (kleinere Naturzeugnisse) und am 11. Januar 1847 (Die Erde, Kapitel 7 Vers 6). Im Großen Evangelium Johannes verhörte sich Lorber jedesmal, wenn "Jesus" aus dem Alten Testament mit Kapitel und Versangabe zitiert, eine Einteilung, die erst im 13. Jahrhundert (Kapitel) und 16. Jahrhundert (Verse) vorgenommen wurde, mit der "Jesu" Zuhörer also nichts hätten anfangen können. Konsequent lebte Jesus laut Neuoffenbarung in der heiligen Familie und auch später nach christlicher und nicht nach jüdischer Tradition, sprach von "den Juden" als wäre es eine kleine homogene Gruppierung in Israel und als würde er selbst nicht dazu gehören, eine Darstellung, die sich kontinuierlich über tausende von Seiten erstreckt (vgl. Finke a.a.O., S. 162ff & 176f). Die Frage ist also nicht, ob sich Lorber verhört hat, sondern ob er Gott überhaupt einmal gehört hat. Beim aufmerksamen Lesen findet sich kaum ein Kapitel ohne Eigentümlichkeiten.

Kapitel 74,3-5 aus der "Erde" wird von Neuoffenbarungsfreunden deshalb oft so verstanden, als seien diese Eigentümlichkeiten Heu, das den Kritikern zum Fressen gegeben wird. Diese "Esel" merken demnach also nicht, dass all diese Stellen absichtlich von "Gott" in die Neuoffenbarung geschleust wurden:

»Die sogenannten „Kritiker“ von Profession müssen ja alles bekritteln und beschnüffeln und beschimpfen; (...) daher ist es notwendig, ihnen schon im voraus soviel als möglich ihr Eselsmaul zu stopfen, und mitunter in eine solche Mitteilung auch etwas Heu einzumischen, damit diese armen Tiere etwas zu fressen haben.«

Erde, Kapitel 74, Verse 3-5


Dabei geht es den Kritikern im Allgemeinen noch ganz gut, da sie ihr Leben nicht an einem Werk ausrichten, in welches "Gott" absichtlich Fehler eingebaut hat. Arm dran sind deshalb eher die Kinder von Lorberfreunden, deren Eltern nicht merken, dass Lorbers Erziehungshinweise Heu sind und die dann womöglich ihre Kinder misshandeln. Arm dran sind all die Juden in der Nazizeit, in der nicht einmal die Lorbergesellschaft merkte, dass ihr Rassenhass auf dem Heu für die Kritiker basiert. Arm sind all die Lorberfreunde, die die Stecknadel im Heuhaufen nicht finden können. Dabei wurde all diesen armen Lorberfreunden drei Jahre vorher zugesagt:

»Eben darum aber erwählte Ich dich, weil du kein Schreiblustiger bist, um eben dadurch Meine Ware einmal ganz rein vor die Welt zu bringen«

Himmelsgaben Band 2, 8. Februar 1844


Ganz rein oder doch mit Heu vermischt? Ein Widerspruch? Oder war diese Zusage selbst auch schon Heu?

Kommt man mit dem Verstand nicht weiter, so kann man ihn immer noch ausschalten:

»Mit dem Verstande aber besehen wird es euch immer mehr und mehr zu befremden anfangen; (...) Daher sollet auch ihr euren Verstand unter den Gehorsam des reinen Gefühles im lebendigen Glauben aus der Liebe zu Mir vollends gefangen nehmen!«

Naturzeugnisse vom 16. Oktober 1840


In ähnlicher Weise nahmen ein paar Jahre später Millionen von Deutschen ihren Verstand aus Liebe zum Führer und im Glauben an den Endsieg gefangen und erwachten mit Blut an den Händen unter den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wieder. Kopflos lässt sich eben alles glauben.


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