zu der Fragen

Helden, an die wir glauben



"Vollendete Tapferkeit besteht darin,
ohne Zeugen zu tun,
was man vor aller Welt tun möchte."
(Francois de La Rochefoucauld)


Straßen, Plätze, Schulen und Flughäfen werden nach ihnen benannt. Sie werden auf Münzen geprägt und auf Geldscheine gedruckt. Man steht in ihrer Tradition, beruft sich auf sie und ihre Autorität. Sie bekommen Ehrendoktorwürden und werden Ehrenbürger, bekommen Verdienstkreuze oder Nobelpreise. Große Persönlichkeiten, die aus der Masse herausragen. Helden.

Wie wird man solch eine Persönlichkeit? Zunächst einmal muss man überhaupt wahrgenommen werden. Man muss in eine Position oder wenigstens Situation kommen, in der man nicht, wie sonst allgemein der Fall, in der Masse untergeht. Es ist daher diesem Ziel förderlicher, durch falsches Verhalten bekannt zu werden, als durch richtiges, heldenhaftes Verhalten zu sterben, bevor man bekannt wurde. Man bekommt nun einmal als unbedeutende Privatperson keinen Friedensnobelpreis dafür, selbst im Krieg der Gewaltlosigkeit treu zu bleiben, auch und obwohl diese Haltung, wenn sie Nachahmer fände, den Krieg verhindert hätte. Entweder wird man von seinen "eigenen Leuten" dafür kalt gestellt, oder aber vom "Gegner", der das mit der Gewalt anders handhabt. Napoleon wurde für viele zum Helden. Hitler wäre es nur geworden, wenn er den Krieg gewonnen hätte. Wer hätte sich dann noch getraut, sein "Heldentum" in Frage zu stellen?

Wie wird man also ein Held? Über Jassir Arafat liest man (wikipedia, Stand Februar 2014): "Jassir Arafat (...) war ein (...),Terrorist, Guerillakämpfer, Politiker, Friedensnobelpreisträger und vom 12. Februar 1996 bis zu seinem Tod am 11. November 2004 Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete." Man sieht, Terrorist zu sein und den Friedensnobelpreis zu bekommen ist kein Widerspruch. Wenigstens weiß man wer Arafat ist und den Friedensnobelpreis bekam er ja auch nicht für seine Attentate. Nur: Hätte Arafat eine Chance auf den Preis gehabt, wenn er sich vorher nicht in das gesellschaftliche Bewustsein gebombt hätte. Wer hätte ihn überhaupt gekannt? Auch Barak Obama bekam seinen Friedensnobelpreis nicht dafür, dass er vorsorglich auch mal Unschuldige per Drohne via Fernsteuerung erschießen lässt oder Edward Snowden verfolgt, weil der trotz NSA Zugehörigkeit noch einen Rest an Anstand besitzt und dekonspiriert. Er bekam ihn vor allem, weil er Präsident wurde. Warum also benennt man einen Flughafen nach Franz Josef Strauß und warum wurde Hans Filbinger Landespräsident. Welche Qualitäten braucht man dazu? Und vor allem: Wer wird statt dessen übersehen?

Man kennt Oskar Schindler, den "guten Deutschen" - meist aus der Verfilmung "Schindlers Liste". Aber war er der Einzige? Er steht stellvertretend für viele Unbekannte, die Juden versteckten und deren Existenz man, als sie erwischt wurden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Konzentrationslager aus der Geschichte tilgte. Von Corrie ten Boom, einer Holländerin, weiß man nur deshalb, weil sie überlebte und ihre Geschichte veröffentlichte. Sind diese weniger wert, nur weil sie zuvor nicht, wie Oskar Schindler, durch Schwarzhandel groß wurden und Einfluss erlangten? Wer sich offen gegen den Nationalsozialismus stellte, war oft schon tot, noch bevor er überhaupt zum Helden aufsteigen konnte. Umgekeht hinderte die Zustimmung zur Ermächtigung Adolf Hitlers Theodor Heuss nicht, erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Wer in der DDR das System zu offen kritisierte, konnte nicht studieren. Schon die Schulkarriere war gefährdet, wenn man seine Meinung sagte. Menschen, die von Anfang an einen klaren Blick für das Unrecht in diesem System hatten und dagegen aufstanden, wurden klein gehalten. Doch wer würde schon einem Hilfsarbeiter Verantwortung übertragen. Natürlich fehlt in seiner Akte der Hinweis, dass er eigentlich das Zeug zum Helden gehabt hätte und er sich nur nicht hinreichend dem System anbiederte. Wer ein Held werden möchte, sollte erst einmal mitlaufen, um sich die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. Ein guter Schulabschluss, ein Studium, eine Promotion. Die Doktorwürde wurde natürlich nur bei "erfolgreichem Nachweis über die Vertiefung der marxistisch-leninistischen Kenntnisse" verliehen (Anordnung zur Verleihung des akademischen Grades Doktor eines Wissenschaftszweiges - Promotionsordnung A vom 21. Januar 1969, § 3, 1b). Selbstredend, dass Systemkritiker hier "Lücken" hatten, sonst könnten sie ja kaum Kritiker sein. Nach dem Zusammenbruch der DDR fanden sich auch dort Helden. Menschen, die unbelastet waren und denen vom System bescheinigt wurde, kompetent zu sein. Ich möchte ja nicht an der Integrität von Angela Merkel oder Joachim Gauck zweifeln, ich frage mich nur, ob sich unter jenen, die vom System sofort aussortiert wurden und so nie eine Chance bekamen bekannt zu werden, Menschen finden lassen, die noch mehr Rückgrad hatten. Aber wer fragt schon nach ihnen?

Wir bewundern Helden und fordern ein, das Erbe dieser Helden zu wahren. Wer kommt schon auf die Idee, das der Hartz-IV-Empfänger nebenan ein Held ist? Vielleicht hat er seinen gut bezahlten Job bei der Bank nur verloren, weil er sein Gewissen entdeckte, das in Konflikt mit Gewinnoptimierung um jeden Preis geriet. Wen interessiert so etwas? Die Welt liebt Gewinner und sie glaubt, Helden müssten Gewinner sein. Was wäre aus Luther geworden, wenn er sich auf die Seite der unterdrückten Bauern gestellt hätte? Wäre er heute immernoch der Übervater der Reformation oder hätten es die Fürsten und die Kirche dann geschafft, ihn aus dem historischen Bewußtsein weitgehend zu tilgen?

Mein Held hat nie studiert. Mein Held hatte kein besonderes Amt. Mein Held biederte sich nicht an. Mein Held war keine anerkannte Autorität. Mein Held wäre heute ein Niemand. Er wurde als Verbrecher hingerichtet und hatte zum Schluss so gut wie niemanden mehr, der zu ihm hielt. Aus Sicht der Menschen hatte er versagt:

"Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?" (Joh 1,46)
"Ist das nicht der Sohn Josefs, unseres Zimmermanns?" (Lk 4,22)
"Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde." (Lk 24,21)

Aber mein Held war kosequent bis zum Schluss:

"Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun werden alle, die sich auf den Sohn Gottes verlassen, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben. Gott sandte den Sohn nicht in die Welt, um die Menschen zu verurteilen, sondern um sie zu retten." (Joh 3,16)

Ein Held wird man nicht durch Anerkennung, sondern durch die Art, wie man lebt. Meistens verehren wir die falschen Helden. Echte Helden bleiben meist unentdeckt.

Alexamenos sebete theon
Die älteste erhaltene Darstellung der Kreuzigung Jesu:
Jesus wird am Kreuz mit einem Eselskopf dargestellt.
Darunter steht:
"Alexamenos betet seinen Gott an"