1+1=4

von Andreas und Ulrike Mast




Unsere Geschichte soll einzig allein unseren Dank an Gott ausdrücken, der uns ein unfaßbares Wunder erleben ließ. Und das trotz vieler Zweifel und unseres Glaubens, der oft nicht den Bruchteil eines Senfkorns groß war. Gott stellt uns Geschwister zur Seite, die für uns beten, wenn wir es selbst nicht mehr schaffen und er erhört diese Gebete.

Nach 2 Fehlgeburten und über 4 Jahren unerfüllten Kinderwunsches haben wir eigentlich schon nicht mehr daran geglaubt, daß uns Gott auf die vielen Gebete doch noch eine Antwort gibt und eine solche schon gar nicht!
Dann nach einem Urlaub die ersehnte Nachricht: endlich schwanger - toll, aber nur ein Kind! Verrückt, aber wir waren eigentlich trotz aller Freude etwas enttäuscht. Schließlich hatten wir Gott darum gebeten, daß er uns als Ersatz für die verlorenen Kinder doch Zwillinge schenkt. Die nächste Untersuchung brachte es dann ans Licht: doch Zwillinge - Gott hat Humor! Angstvolle erste Wochen folgten. Immer wieder die quälenden Gedanken: wird die Schwangerschaft diesmal halten? Blutgerinnsel in der Gebärmutter und eine schwere Grippe gleich im Anschluß bedeuteten zwar 2 Wochen liegen, aber sie hielt.
In der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) wurden an beiden Kindern Nackenödeme festgestellt, ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko von Mongolismus, Down-Syndrom! Die Ärzte rieten uns dringend zur Fruchtwasserpunktion, was die Gefahr eines Abgangs in sich barg. Nach langem Ringen entschieden wir uns gegen den Eingriff und beschlossen die eventuelle Erkrankung aus Gottes Hand zu nehmen, da für uns die letzte Konsequenz, eine Abtreibung, nicht in Frage kam. Einen weiteren Abgang wollten wir nur für diese Gewißheit einfach nicht aufs Spiel setzen. Trotz unserer Fragen und Ängste hatten wir einen inneren Frieden, nachdem wir diese Entscheidung getroffen hatten. Die Ältesten, der Pastor und viele aus der Gemeinde beteten mit uns, immer dann, als alles über uns zusammenzubrechen schien und unser Glaube gegen Null ging.
In der 19. SSW stellte der Arzt nach extremen Schmerzen bei Ulrike fest, daß viel zu viel Fruchtwasser vorhanden war. Er schickte uns sofort in die Uniklinik mit dem niederschmetternden Ergebnis: fetofetales Transfusionssyndrom. Das ist eine extrem seltene Komplikation bei eineiigen Zwillingen, eine Plazentaverbindung zwischen den Kindern. Mit der Folge, daß ein Kind zuviel, das andere zu wenig Blutversorgung hat. Das überversorgte Kind produzierte Fruchtwasser ohne Ende, daher die wahnsinnigen Schmerzen durch den schweren, prallen Bauch. Das andere Kind saß auf dem Trockenen - in einem erbärmlichen Zustand. Ohne Eingriff war die Fehlgeburt vorprogrammiert! Wir waren total verzweifelt und entmutigt. Warum das alles? Die Ältesten und der Pastor kamen gleich zu uns und unterstützen uns mit ihren Gebeten. Die ganze Gemeinde stand im Gebet hinter uns. Während dieser Zeit bekam Ulrikes Vater die Worte von Gott aufs Herz: Ich (der Herr) lebe und sie beide sollen auch leben! Diese Verheißung war für uns in der folgenden, harten Zeit der Schwangerschaft immer wieder wie ein rettender Grashalm, wenn uns der Boden unter den Füßen verschwinden wollte. Es gab damals 2 Möglichkeiten: die konventionelle Fruchtwasserpunktion zur Druckentlastung mit der Aussicht, daß evtl. nur eins oder gar kein Kind letztlich durchkommen würde. Der Zeitpunkt der Diagnose war eben in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft und die Kinder noch lange nicht lebensfähig. Die andere, neue Methode, bisher nur in Hamburg und Ulm praktiziert, bedeutete eine Laserung der Blutverbindungsgefäße direkt in der Gebärmutter. Die Chancen waren zwar etwas besser, aber dennoch sehr ungewiß. Viel Zeit für eine Entscheidung blieb uns nicht. Schon zwei Tage später, mit Gottes "Ja" in uns, fand die Laserung und die Entnahme von 2 l Fruchtwasser dann statt. Bereits am übernächsten Tag kam zu den Wehen noch ein Blasensprung. Damit schien alles vorbei zu sein, doch zum allgemeinen Erstaunen schloß sich dieser nach einigen Tagen wieder.
Eine halbe Woche nach der Entlassung aus der Klinik stellte der Arzt erneut viel zu viel Fruchtwasser fest. Diesmal hatten sich die Rollen jedoch vertauscht! Das ehemals unterversorgte Kind bekam nun zuviel Blut und andersherum. Die Ärzte waren ratlos! Einen solchen Fall hatten sie noch nie erlebt! Wir mußten uns sofort entscheiden. Um das unterversorgte Kind stand es so schlecht, daß die Ärzte uns darauf vorbereiteten, daß bei der nächsten Untersuchung vermutlich nur noch ein Kind am Leben sei. Wir wußten nicht mehr weiter. Wo war Gott? Unser Glaube war ein Scherbenhaufen, alle Hoffnung wich der Verzweiflung. Nach weiteren Gebeten mit den Ältesten rangen wir uns dazu durch, wenn die Kinder bei der nächsten Untersuchung 2 Tage später noch beide am Leben wären, erneut die Laserung zu wagen. Die Ärzte rieten uns eher ab. Nach dem Blasensprung sahen sie wenig Hoffnung aber eine Alternative mit besseren Chancen konnten Sie uns auch nicht aufzeigen. Wieder war es dieser unbegreifliche Friede und die Ruhe Gottes, was uns in dem Chaos unserer Gefühle zu dieser Entscheidung brachte. So erfolgte erneut eine Laserung und die Punktion von weiteren 1,6 l Fruchtwasser in der 21. SSW. Die letzten 4 sichtbaren Gefäße waren damit verschweißt. Weitere Möglichkeiten zum Eingriff gab es nicht mehr!
Nach Tagen voller Hoffen, daß die Kleinen durchkommen würden, zeigte die Ultraschalluntersuchung: beide Kinder waren am Leben aber das immer noch unterversorgte Kind zeigte weder eine Blasenfunktion noch waren die Nieren erkennbar, was die Ärzte mehr als zurückhaltend sein ließ. Außerdem war trotz des Eingriffs zuviel Fruchtwasser vorhanden und so kam es zu weiteren Entlastungspunktionen bis zur 25. Woche. Diese Eingriffe bedeuteten jedesmal ein hohes Risiko des Abgangs durch die Irritationen, die mit den schmerzhaften Einstichen verbunden waren und die hervorgerufenen Wehen. Was folgte, waren lange Monate strengster Bettruhe in der Klinik wegen der ständigen vorzeitigen Wehen, ununterbrochen am Tropf mit wehenhemmenden Mitteln. Die Situation des Kleinen blieb unverändert schlecht. Es war einfach keine Blasenfunktion sichtbar - aber es lebte. Plötzlich schien sich die Fruchtwassersituation einzupendeln. Wir gewannen Zeit, aber die Kinder waren immer noch nicht lebensfähig und je früher sie kommen würden, desto wahrscheinlicher war die Aussicht auf eine schwere Behinderung, wenn dies nicht sowieso durch die bisherige Krankheitsgeschichte der Fall war. Wir waren wie benommen, aber immer wieder hofften wir auf ein Wunder. Trotzdem stellte sich keine Veränderung beim unterversorgten Kind ein. Die Blase zeigte einfach keinerlei Aktivität. Nach weiteren 3 Wochen, in der 26. SSW. geschah das Unfaßbare: der behandelnde Professor konnte es nicht fassen. Auf dem Ultraschall war auf einmal bei unserem Kleinen eine Blasenfunktion zu sehen. Er produzierte ein wenig Fruchtwasser. Wir hofften wieder ein wenig mehr.
Nach vielen Gebeten blieb dies der Stand. Für uns gab es nur noch ein Motto: Zeit gewinnen und Wehen hemmen bis die Kinder lebensfähig sein würden. So verging ein Tag nach dem Anderen, Woche um Woche bis wir die ersehnte 28. Woche passiert hatten. Das Ständige Kommen und Gehen im Zimmer von anderen schwangeren Frauen, die mit gesunden Kindern wieder die Klinik verlassen konnten, machte die Situation nicht gerade leichter aber unsere unermüdlichen Beter in der Gemeinde gaben uns unbegreifliche Kraft zum Durchhalten. Die Situation stabilisierte sich so erstaunlich, daß die Ärzte sogar eine Weile mit dem Gedanken spielten, eine normale Geburt abzuwarten. Doch dann zeigten die Kinder ab der 32. Woche Reaktionen auf die regelmäßigen Wehen. Immer wieder ließen die Herztöne bei den Wehen nach. So entschieden sich die Ärzte in der 34. Woche, also 7 Wochen vor dem Termin für einen Kaiserschnitt. Keiner konnte es fassen. Unseren Kindern ging es gut. Joel Pascal und Timo André kamen am 12.10.1998 kerngesund zur Welt. Joel war zwar durch eine Anhäufung roter Blutkörper wegen der Blutüberversorgung knallrot und mit 2390 g bei 47 cm schon ein recht strammer Bursche im Vergleich zu Timo aber auch er war mit seinen 1850 g und 42 cm bei bester Gesundheit. Zu unserer Überraschung konnte Joel schon am 2. Tag zu seiner Mami auf die Station. Timo brauchte noch 1 Woche das Wärmebettchen und kam dann zu seinem Brüderchen und den überglücklichen Eltern.
Am 23.10 dann endlich die Heimreise nach knappen 3 Monaten Odyssee durch Klinikräume, OP´s, Gefühlsaufs- und abs. Zeiten der Verzweiflung, des Aufrappelns, Zeiten der Tränen, des Hoffens, des Zweifelns aber auch des Vertrauens und des Glaubens. Gott hatte uns getragen, trotzdem, daß Satan immer wieder alles in Gang setzte, um unser Glaubensschiffchen zu versenken, was ihm oftmals fast gelang. Aber die Gebete waren stärker. Bei jeder Entscheidung, die wir fällen mußten, hatten wir inneren Frieden in aller Verzweiflung. Für die Ärzte war es unfaßbar - scheinbar ein Triumph modernster Medizintechnik. Für uns war und ist es mehr als das - zu viele gute Zufälle und unerwartete Wendungen - Nein, für uns ist und bleibt es ein Wunder Gottes. Sein Geschenk an uns. Heute haben wir zwei gesunde, quicklebendige und fröhliche Jungs, in deren Lachen Gottes Gnade für uns und die ausdauernden Beter um uns herum überwältigend sichtbar wird.