zu der Fragen

Der ausgesperrte Gott




Der fette Ganter watschelt träge auf den Hügel. Nach und nach verstummt das Geschnatter der anderen Mastgänse. Der Ganter holt tief Luft und erzählt von der Berufung der Gans. Er erzählt von Gänsen, die in ferne Länder flogen und von ihren Erlebnissen. Er erzählt, daß sie von Gott geschaffen wurden zum Fliegen und wie wunderbar es sei, eine Gans zu sein. Alle Gänse lauschen gebannt den Geschichten dieser sagenumwobenen Gänse, die eines Tages ihre Flügel ausbreiteten und davonflogen. Tief beeindruck von der tollen Predigt applaudieren sie und drücken dabei fest ihre Flügel an ihre fetten Körper. Dann watscheln sie wieder zurück in ihren Verschlag und träumen vom Fliegen.

Ist es nicht wunderbar Christ zu sein. Wir sind versöhnt mit Gott, haben einen Sinn und ein Ziel im Leben. Das alles wissen wir nun. Und jetzt? Nun, jetzt können wir uns eingehender damit beschäftigen. Wie genau funktionierte denn diese Versöhnung mit Gott und ab wann ist Er oder Sie denn nun wirklich mit Gott versöhnt? Wir können uns auch ausgiebig den etwa eineinhalbtausend Seiten der Bibel widmen. Wir können die Reihenfolge der biblischen Bücher auswendig lernen, Widersprüche erklären und eine Dogmatik anhand des Textes aufbauen, mit der wir alle anfallenden Fragen beantworten können. Wir können uns Predigten anhören über die ersten Christen und davon träumen wie es wäre, Gott nicht nur auf geschwärztem Papier zu erfahren.

Wir gehen in Gemeinden, wir lesen unsere geliebte Bibel rauf und runter, wir wissen was zu tun ist, was Gott will und was er nicht will. Wir kennen uns so gut aus, daß wir ihn ehrlicherweise auch gar nicht aktiv brauchen. Wenn Gott sich zurückziehen würde, würde es uns auffallen? Wüßten wir nicht weiterhin worüber wir predigen können, was wir im Kindergottesdienst erzählen, warum wir uns eigentlich dauernd freuen könnten und daß wir uns alle gegenseitig schön lieb haben sollen? Würden wir nicht weiter missionieren und den Menschen erzählen, woran sie glauben sollen? Würden wir den Menschen nicht weiter erzählen, daß Gott in ihnen lebt, sobald sie ihn einlassen und würden wir sie nicht weiterhin letztlich nur zu einem der unsrigen machen?

Warum wird nur über einen verschwindent geringen Teil der Bibel gepredigt? Wie konnten die Menschen früher Christen sein, wenn sie noch keine Bibel hatten? Und wie kommt es, daß laut der Bibel die, die sie (das alte Testament) am besten kannten, die größten Probleme mit Jesus hatten?

Könnte es sein, daß Gott an vielen Stellen abhanden gekommen ist? Daß man ihn nicht mehr findet? Daß man aus der Not eine Tugend macht und die Bibel, besonders aber den mit Gewalt daraus gebogenen Dogmatismus (so fromm der auch aussehen mag) zur Gottheit, daß heißt eigentlich zur Götze macht? Könnte es sein, daß wir die Bibel nur brauchen um unseren gelebten Atheismus zu rechtfertigen. Das wir sie zwar hochhalten, aber nur an den Stellen zu Wort kommen lassen, an denen sie uns passt?

Offb 3,20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.

Einer der Lieblingssprüche auf dem Missionsfeld. Da erzählen Christen den armen Heiden, daß Jesus vor ihrer Tür steht und anklopft. Da ist ja viel Wahres dran, nur - diesen Satz läßt Jesus einer Gemeinde ausrichten, die er selbst nicht mehr erreicht. Einer Gemeinde, die Jesus ausgesperrt und es noch nicht einmal gemerkt hat: Siehe...

Ein Leben mit Jesus ist nicht Theorie, nicht Dogmatik, nicht Rechtfertigungslehre, nicht Geschichten und auch keine frommen Tagträume. Es sieht gefährlich aus, die Flügel auszubreiten und zu fliegen. Was, wenn wir fallen? Wenn wir in unseren Gemeinden und auch privat unser Leben auf das reduzieren, was auch ohne Gott funktionieren würde, müssen wir uns fragen lassen, ob wir durch unseren Lebensstil nicht bekennen, selbst Atheisten zu sein. Wenn wir alles selbst machen und Gott keinen Raum geben, werden wir nie erfahren, ob es stimmt. Worin unterscheiden wir uns von den Toten, wenn wir leben könnten, aber nicht leben weil wir Angst haben sterben zu können?


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